Kommentar der deutschen Postdoktorandennetzwerke zum WissZeitVG

Hier finden sie unser offizielles Schreiben an das BMBF zum Referent:innenentwurf des WissZeitVG vom 06.06.2023.

July 04, 2023

Die Vertreter und Vertreterinnen der deutschen Postdoktorandennetzwerke bedanken sich für die Arbeit, die in den vorliegenden Referentenentwurfs „Gesetz zur Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft” eingeflossen ist. Wir danken insbesondere dem BMBF für die Bereitschaft zur Diskussion und für die Einbeziehung der Postdocnetzwerke in dieses Gespräch. Die unterzeichnenden deutschen Postdocnetzwerke haben sich entschlossen, eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben. In den vergangenen zwei Wochen haben wir dafür Postdoktorandinnen und Postdoktoranden aus verschiedenen wissenschaftlichen Sektionen um ihre Einschätzung zum aktuellen Entwurf gebeten. Unsere gemeinsame Antwort spiegelt das Umfrageergebnis hunderter Einzelantworten aus der gesamten deutschen Hochschullandschaft wider. Ebenfalls verweisen wir auf  Statistiken aus aktuellen Umfragen des Leibniz PostDoc-Netzwerks und des Max-Planck-PostdocNet. Wir empfehlen dem BMBF und anderen Akteuren dringend, diese detaillierten und aufschlussreichen Umfragen zu prüfen.

Insgesamt sind wir besorgt über den Zugang zu Informationen über die vorgeschlagenen Änderungen des WissZeitVG und die damit verbundenen Diskussionen. Postdoktorandinnen und Postdoktoranden sind von jeder Änderung des aktuellen Gesetzes direkt betroffen, und es muss sichergestellt werden, dass alle Postdoktorandinnen und Postdoktoranden gut über Karrierewege innerhalb des deutschen Wissenschaftssystems informiert sind. Laut der Leibniz-Postdoc-Umfrage 2022 kennt etwa die Hälfte der internationalen Postdocs das WissZeitVG nicht. In der vom PostdocNet der MPG durchgeführten Umfrage 2022 kommen 75% der Postdocs der MPG und 35% der Postdocs an Leibniz-Instituten aus dem Ausland. Wir schlagen dringend vor, dass Informationen über dieses Gesetz und alle vorgeschlagenen Änderungen neben der offiziellen deutschen Version auch in einer englischen Übersetzung zur Verfügung gestellt werden, um einen fairen und gleichberechtigten Zugang für diejenigen zu gewährleisten, die von dem Gesetz direkt betroffen sind.

Zum Inhalt des vorgeschlagenen Entwurfs möchten wir die folgenden Anmerkungen und Vorschläge machen:

Wir finden, dass die anfängliche dreijährige Mindestvertragsdauer während der Promotionsphase und die zweijährige Mindestvertragsdauer mit einer gewissen Flexibilität in der Postdoc-Phase sehr positive Änderungen sind. Die Mindestvertragsdauer trägt zur verbesserten Planbarkeit bei.

Des Weiteren möchten wir speziell auf den Vorschlag eines 4+2-Modells für die Postdoc-Phase eingehen. Postdocs forschen in unterschiedlichen Forschungsbereichen und Disziplinen. Die Qualifikationen und Forschungsanforderungen sind dabei sehr unterschiedlich. Geistes- und sozialwissenschaftliche Postdocs benötigen oft mehr als fünf Jahre, um sich zu habilitieren. Experimentelle und kollaborative Projekte in den MINT-Fächern können sogar noch länger dauern. Eine Begrenzung der Postdoc-Phase auf vier Jahre wäre schädlich für die Wissenschaft in Deutschland. Sie hemmt risikoreiche Forschung und dadurch Durchbrüche und Innovationen. Darüber hinaus halten wir den aktuellen Entwurf für die Anschlusszusage für problematisch. In seiner jetzigen Form, ohne klar definierte Qualifikationsrichtlinien, würde die Anschlusszusage den Professoren und Professorinnen und Institutionen eine immense Machtbefugnis einräumen, um zu entscheiden, wen sie zur Professur zulassen. Es muss ein klares und transparentes Verfahren zur Evaluation der Anschlusszusage eingeführt werden. Ein solcher Prozess sollte die berufliche Entwicklung der Postdocs, die Schritte und Qualifikationen, die zur Erlangung der Professur erforderlich sind, und die Ausweichoption für den Fall, dass die Postdocs keine Professur erhalten umfassen. Es sollte klare Definitionen von Tenure und Dauerstellen geben.

Falls das WissZeitVG in irgendeiner Form beibehalten wird, fordern wir konkrete Angaben zur Entwicklung der R1-, R2- und R3-Phase, insbesondere zur Phase der unabhängigen Gruppenleitenden (R3). Wenn man die +2-Phase als R3-Phase ansieht, halten wir dies für einen zu kurzen Zeitraum, um als unabhängige Gruppenleiter oder unabhängige Gruppenleiterin Erfahrungen zu sammeln und Mittel zu akquirieren. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn man die Begutachtungszeiten für Drittmittelanträge in Deutschland berücksichtigt (z.B. beträgt die Frist bei der DFG 8 Monate nach Beginn des Verfahrens). Eine Klärung der Qualifikationskriterien wäre notwendig, um eine Obergrenze für die R3-Phase festzulegen.

Wir haben Verständnis dafür, dass das WissZeitVG selbst nicht per se Tenure-Track-Professuren und Dauerstellen in Deutschland erhöhen kann. Tritt dieses Gesetz jedoch in Kraft, ohne dass es gleichzeitig ein Gesetz zur Erhöhung von Tenure und Dauerstellen gibt, wird sich der Rückstau an Promovierten und Postdocs im deutschen Wissenschaftssystem weiter verstärken. Dies wird dazu führen, dass Deutschland seine Nachwuchsforschenden verliert, was sich unweigerlich negativ auf das künftige Hochschul- und Wissenschaftssystem des Landes auswirken wird.

Eine Reform des WissZeitVG allein kann daher die derzeitige mangelnde Karriereperspektive für die Mehrheit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Deutschland nicht beheben. Wir fordern das BMBF auf, zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Zahl der Dauerstellen zu prüfen.

Zusammengefasst fordern wir eine zugängliche Verbreitung von Informationen in englischer Übersetzung, klare Strategien zur Karriereentwicklung, klare und transparente Bewertungen von Qualifikationen, Anreize für akademische Einrichtungen mehr Dauerstellen, und eine strategische Erhöhung der intersektoralen Mobilität, um Deutschland zu einem Zentrum für hochwertige und innovative Wissenschaft zu machen.

Wir stehen gerne zur Verfügung, unsere Vorschläge weiter zu diskutieren oder Fragen und Kommentare zu unserer gemeinsamen Antwort zu beantworten.

Mit freundlichen Grüßen,

The Max Planck PostdocNet 

Munich Postdoc Network (MPN)

Leibniz PostDoc Network

Postdoc-Vertreter*innen und -Netzwerke an Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft: Helmholtz Munich Postdoc Association, AWI Postdoc Team, Max Delbrück Center Postdoc Association (MDC PDA), GFZ Potsdam Postdoc Reps, GEOMAR PostDoc+ Team, HZDR Postdoc Reps, Helmholtz Zentrum Berlin Postdoc Council, DFKZ Postdoc Representatives, Dr. Lucas Secchim Ribeiro (Postdoc-Vertreter, DZNE-Bonn)

Postdoc-Vertreter*innen von Rede Apoena (Netzwerk brasilianischer Wissenschaftler:innen in Deutschland).

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